Sternstrichspuren (engl. startrails) waren beziehungsweise sind für viele interessierte Fotografen der Einstieg in die Astrofotografie. Aus gutem Grund: Sie sind relativ einfach zu erstellen, und sie benötigen im Gegensatz zu anderen Objekten in der Astrofotografie keine automatisch nachführende Montierung und kein Teleskop. Eine normale digitale Spiegelreflexkamera (DSLR) und ein Objektiv mit kurzer Brennweite, ein Fernauslöser und ein Stativ reichen schon aus. Sogar mit den oft gescholtenen Kit-Objektiven lassen sich ansprechende Bilder machen.
Aber wie?
Dieses Tutorial soll interessierten Einsteigern dabei helfen, die ersten Schritte zu machen. Wie die anderen Tutorials für Sonnen-, Mond- und Planetenfotografie hat auch dieses Tutorial nicht den Anspruch, den Königsweg zu beschreiten. Es soll vielmehr einige Grundkenntnisse aus Theorie und Praxis vermitteln, worauf man als Laie oder Einsteiger aufbauen kann, um seine eigene Vorgehensweise zu entwickeln.
Theorie? Ein Begriff, der viele „Hauruck-Fotografen“ im Bereich Astrofotografie das Fürchten lehrt. Warum? Weil man die Astrofotografie nicht mit der Tagesfotografie vergleichen kann. Tagsüber (oder im Studio) hat man nämlich genug von dem, was am wichtigsten ist: Licht. Bei der Nachtfotografie ist das logischerweise nicht so, was oft zu Problemen führt, beispielsweise mit dem Autofokus.
Himmelsmechanik und Motivsuche
Je nachdem, welches Motiv oder Objekt am Nachthimmel man fotografieren möchte, gilt es, sich entsprechende Grundkenntnisse anzueignen. So auch bei Sternstrichspuren. Wenn man sie ansprechend in Szene setzen will, muss man zunächst einmal verstehen, wie sie entstehen. Das ist aber schnell erklärt. Wie allgemein bekannt ist, dreht sich die Erde in 24 Stunden einmal um sich selbst. Das tut sie um eine Rotationsachse, die um circa 23,4 Grad gegen die Ebene ihrer Umlaufbahn geneigt ist.
Verlängert man die Rotationsachse der Erde in den Himmel, zeigt sie auf zwei Punkte am Himmel über der Nord- beziehungsweise der Südhalbkugel. Kluge Köpfe haben sich überlegt, den Himmel in Breiten- und Längengrade aufzuteilen, ähnlich wie die Erdkugel. Demnach gibt es also einen Himmelsäquator, der die Verlängerung des Erdäquators darstellt. Und damit gibt es auch einen Himmelsnordpol und einen Himmelssüdpol. Das sind die beiden oben erwähnten Punkte, auf die die verlängerte Rotationsachse der Erde zeigt. Rotiert die Erde, scheinen sich alle Sterne am Himmel nördlich des Himmelsäquators um den Himmelsnordpol zu drehen. Gleichmaßen scheinen sich alle Sterne südlich des Himmelsäquators um den Himmelssüdpol zu drehen.
Warum ist das jetzt wichtig? Nun, der oben beschriebene Sachverhalt hat zur Folge, dass die Bahnen der Sterne sehr unterschiedlich verlaufen, abhängig davon, in welche Himmelsrichtung man blickt. Das klassische Beispiel für Sternstrichspuren – einen „Tunneleffekt“ mit Sternen, die sich um den Himmelsnordpol drehen – zeigt das Bild oben (hier auf Flickr). Der Himmelsnordpol befindet sich links. Der Stern fast im Zentrum der „Tunnels“ ist Polaris, der sogenannte Nordstern. Er markiert ungefähr die Himmelsrichtung Norden. Allerdings liegt er nicht ganz exakt im Himmelsnordpol, sondern nur in dessen unmittelbarer Nähe, deswegen zeigt auch er eine geringe Bewegung.
Blickt man dagegen (ungefähr) in Richtung Süden, ergibt sich ein ganz anderer Verlauf der Sternstrichspuren, wie hier unten zu sehen ist (zum Bild auf Flickr).
Man erkennt, dass die Strichspuren in Horizontnähe um einen Punkt unterhalb des Horizonts im Süden laufen. Im oberen Teil des Bildes hingegen scheinen sie sich um einen Punkt am Nordhimmel zu drehen. Letzterer ist natürlich der Himmelsnordpol. Der Himmelssüdpol selbst ist von der Nordhalbkugel aus nicht zu sehen, aber bei Sternen südlich des Himmelsäquators erkennt man teilweise die scheinbare Bahn, die sie um den Himmelssüdpol beschreiben.
Den unterschiedlichen Bahnverlauf je nach Blickrichtung muss man im Hinterkopf haben, wenn man sich ein Motiv für Sternstrichspuren aussucht – jedenfalls wenn man ein bestimmtes Aussehen bevorzugt, zum Beispiel den beliebten Tunneleffekt. Ein bisschen theoretische Himmelsmechanik, die für die Motivwahl sehr nützlich ist, wäre damit abgehakt.
Aufbauen des Equipments
Wenn man sich ein Motiv ausgesucht hat, geht es an die Praxis. Wie oben angesprochen, reicht eine normale Standardausrüstung für den Einstieg vollkommen aus. Die Kamera wird samt Objektiv auf dem Stativ festgeschraubt. Am Objektiv sollte die geringste Brennweite eingestellt werden (ist aber kein Muss, denn die passende Brennweite hängt auch vom gewählten Motiv ab). Der Fernauslöser, idealerweise ein programmierbarer Kabelfernauslöser, der Belichtungsserien auslösen kann, wird an die Kamera angeschlossen. Die Kamera wird endlich eingeschaltet und zwar im manuellen Modus mit der Belichtungseinstellung Bulb. Aber wie geht es dann weiter?
Fokussieren
Das Fokussieren in der Astrofotografie ist glücklicherweise nicht so schwer: Alles befindet sich im Fokus Unendlich, egal ob Sonne, Mond, Planet, Komet, Stern, Nebel oder Galaxie. Trotzdem ist es nicht zu empfehlen, einfach die Markierung für den Fokus Unendlich auf dem Objektiv einzustellen. Bei vielen Objektiven, insbesondere bei den preiswerten, kann es sein, dass die Markierung nicht exakt genug ist. Für optimale Ergebnisse sollte daher manuell fokussiert werden, und das geht am besten an einem hellen Stern. Moderne Kameras verfügen über eine Liveview-Funktion und gegebenenfalls noch über einen zusätzlichen Zoom.
Man richtet die Kamera also auf einen möglichst hellen Stern und betrachtet ihn per Liveview und Zoom in einer vergrößerten Ansicht. Dann beginnt man langsam zu fokussieren. Der Fokuspunkt ist erreicht, wenn der Stern auf dem Display möglichst klein erscheint. Bei älteren Kameras ohne Liveview muss man entweder sehr genau durch den Sucher gucken oder eine Reihe Testaufnahmen machen, bis der Fokus stimmt.
Herantasten an die Einstellungen
Nach dem Fokussieren und dem Ausrichten der Kamera auf das gewünschte Motiv folgt das unausweichliche Herantasten an die besten Kameraeinstellungen. Leider gibt es nicht DIE optimalen Einstellungen, weil sie von vielen verschiedenen Parametern abhängen. Dazu zählen natürliche Faktoren wie etwa die Mondphase und seine Helligkeit oder die Jahreszeit und Uhrzeit, aber auch künstliche Einflüsse, beispielsweise die urbane Lichtverschmutzung. Weitere Aspekte sind technischer Natur – darunter fällt das Rauschverhalten der Kamera.
An dieser Stelle sind demzufolge nur grobe Richtwerte sinnvoll – 30 Sekunden Belichtungszeit mit ISO 800 sind bei dunklem Himmel ein guter Anfangswert. Die Blende nimmt eine Sonderstellung ein, weil sie nicht nur mitentscheidet, wie hell das Bild wird, sondern auch wie die Schärfentiefe wirkt. Schließlich möchte man die Sternstrichspuren und den Vordergrund scharf im Fokus haben.
Sind der Vordergrund und der Hintergrund weit von der Kamera entfernt (etwa ferne Berglandschaft vor Sternenhintergrund) kann eine offene Blende beides gleichermaßen scharf abbilden. Liegt der Vordergrund (Baum, Burg, Turm, was auch immer) wesentlich näher als der Sternenhintergrund, kann eine offene Blende dazu führen, dass der Vordergrund nicht ganz scharf abgelichtet wird. In dem Fall hilft es, wenn man ein paar Stufen abblendet. Da das Bild dadurch auch dunkler wird, muss gegebenenfalls die Belichtungszeit erhöht werden – oder man vergrößert die Distanz zwischen Kamera und Vordergrund. Die Bedingungen an Ort und Stelle sind so vielfältig, dass es meist nicht ohne ein paar vorherige Testaufnahmen geht.
Sehen die Testaufnahmen gut aus, kann die Aufnahme der eigentlichen Bildserie beginnen. Die Einstellungen für Belichtungszeit, Intervall und Anzahl der Bilder werden in den Fernauslöser eingegeben, anschließend wird die Serie gestartet. Je länger die Gesamtbelichtungsdauer ist, desto länger werden die Sternstrichspuren. Die subjektive Wahrnehmung ist bei jedem Betrachter anders, deswegen muss man für sich selbst herausfinden, ab welcher Gesamtbelichtungszeit die Sternstrichspuren lang genug sind. Meine persönliche Grenze liegt bei mindestens einer Stunde.
Optional: Darks (Dunkelbilder)
Nach diesen sogenannten Lights könnte man mit den gleichen Einstellungen noch einige Darks machen. Darks sind Dunkelbilder, die mit den gleichen Einstellungen wie die normalen Bilder gemacht werden, aber mit verschlossenem Objektiv. Fotos mit verschlossenem Objektiv scheinen auf den ersten Blick nicht wirklich sinnvoll zu sein. Für ein menschliches Auge sind sie das auch nicht – aber für die Verarbeitungssoftware schon. Auf den Dunkelbildern zeigt sich das typische Hintergrundrauschen des Kamerasensors, das mit zunehmendem ISO-Wert zum Teil drastisch ansteigt.
Spezielle Programme analysieren das Rauschen der Dunkelbilder und ziehen es von den „echten“ Bildern ab, so dass sie rauschfreier sind. Auch störende Hot- und Coldpixel können mit Dunkelbildern entfernt werden. Ob Dunkelbilder bei der Verarbeitung notwendig sind, liegt im Auge des Betrachters beziehungsweise des Fotografen. Die Bilder in diesem Tutorial wurden alle ohne Dunkelbilder erstellt.
Die weitere Verarbeitung
Juchu, die Aufnahmen sind im Kasten respektive auf der SD-Karte. Nach dem Kopieren auf den Rechner oder Laptop folgt die Verarbeitung der Bilder. Im Prinzip kann man die Bilder mit jedem guten Bildbearbeitungsprogramm übereinanderlegen oder „stacken“ wie es auf Englisch heißt. Es gibt jedoch auch Programme, die auf genau diese Anwendung spezialisiert sind und durchaus brauchbare Ergebnisse liefern. Eines dieser Programme trägt wenig überraschend den Namen startrails.
Das Programm ist selbsterklärend, hat aber den kleinen Nachteil, dass es keine Rohformate lesen kann. Die Bilder müssen deswegen vor dem Stacken in ein anderes Format konvertiert werden. Danach können die Bilder in dem Programm geöffnet werden. Per Häkchen kann man auswählen, welche Bilder tatsächlich verarbeitet werden sollen – auf diese Weise lassen sich unerwünschte Bilder ausblenden (z.B. welche mit Flugzeugspuren). Wenn die zeitlichen Abstände zwischen den Bildern zu groß werden, gehen damit allerdings auch Lücken in den Sternstrichspuren einher. Nach der Erstellung des Sternstrichspurenbildes kann das Ergebnis als bmp-Datei gespeichert und anschließend mit anderen Programmen weiterbearbeitet werden (Tonwertkorrektur, Helligkeit, Wasserzeichen, etc).
Damit sind wir am Ende des kurzen Tutorials für Sternstrichspuren angelangt. Ich hoffe, dass der eine oder andere Tipp für die Vorgehensweise hilfreich war, auch wenn dies nur einen von vielen möglichen Workflows darstellt.
(THK)
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